Der Voyeur - Effekt 

Als Filmautor muß man sich darüber Gedanken machen, was ein Film ist: eine Bildergeschichte. Eine Geschichte, erzählt in Bildern. 
Es gibt also etwas zu sehen. 

Angeblich hat Truffaut gesagt, Filmemachen bedeutet, schöne Frauen schöne Dinge tun zu lassen. Zum Teil hat er RECHT! 

Was will man noch sehen? 
Man will etwas sehen, was man noch nie zuvor gesehen hat. 
Man will Dinge sehen, die intim und geheim sind. 

Stellen Sie sich vor: 
Sie sind bei ihrem besten Freund zu Besuch. Auf dem Regal liegt eine Postkarte, die ein gemeinsamer dritter Freund geschickt hat. Ihr Freund muß plötzlich ganz dringend auf die Toilette. Sie bleiben im Zimmer zurück - und lesen die Postkarte heimlich. 

Die Schreibtisch-Schublade steht offen. Innen erkennen Sie ein Foto. Es zeigt ihren besten Freund und seine Partnerin im Urlaub am Strand. In Bikini und oben ohne. Ihr Freund ist immer noch auf dem Klo. Sie schauen sich auch die anderen Fotos an. 

Ihr Freund kommt zurück. Es ist kalt geworden und ihr Freund leiht Ihnen seine Jacke. Abends vergessen Sie, ihm die Jacke zurück zu geben. Zuhause entdecken Sie einen Brief in der Innentasche. Sie lesen ihn. 

Danach gehen Sie noch spazieren. Auf der anderen Straßenseite ist ein hell erleuchtetes Fenster, hinter dem Sie ihre Nachbarn beim Sex erkennen können. Sie schauen zu. 

Als Sie tags drauf ihre Eltern besuchen, fragen Sie nach einer Aspirin. Ihre Mutter sagt, auf dem Schreibtisch liegen welche. Dort entdecken Sie einen Entwurf des Testamentes ihrer Eltern. Sie lesen ihn. 

Und sagen Sie jetzt nicht Nein! 

Wir sind neugierig und wollen vor allem Intime Geheimnisse wissen. 
Wir wollen dabei sein, wenn der Vater seinen Sohn enterbt, weil er etwas gegen seine Homosexualität hat. Wir wollen sehen, wie Menschen einander Dinge sagen, die wir normalerweise nie hören und oft auch nie selber sagen würden. 
Wir selber würden NIE zu unserer Frau sagen: "Mach´ mir den Hengst", oder sie bitten, ob wir es nicht einmal zu dritt machen sollten. 

Aber wir schauen gerne zu, wenn andere sowas machen. 

Und was wir noch sehen wollen: 

Leute, die miteinander reden. Denn das kennen wir von zuhause nicht. 

Erstens können wir selber kaum ausdrücken, was uns bewegt, dann trauen wir uns selten, das jemandem mitzuteilen, dann hört kaum jemand zu, wenn wir uns doch mal trauen, dann ernten wir eigentlich keine brauchbare Antwort, und wenn doch, dann ergibt sich so gut wie nie ein Gespräch, und wenn doch, dann nur kurz, und Tage später fällt uns noch soviel ein was wir hätten sagen sollen, was viel wichtiger gewesen wäre, und viel treffender. 

Im Film ist das alles ganz anders. 

Menschen reden sofort intim über ihr Innerstes, immer wird darauf eingegangen, immer finden alle pointierte Erwiderungen, und jeder weiß, was er sagen soll, sagen will, sagen kann. 
Jeder ist bei sich und bei seinem Gegenüber, jeder spürt jeden. 

Das kennen wir von zuhause auch nicht immer....