Miteißende Filme Teil 1

Mitreißende Filme handeln von mitreißenden Menschen, Abenteuern, Begegnungen und Konflikten. 

Die Abenteuer sind lebensgefährlich, die Konflikte und Gegner nahezu übermächtig, die Begegnungen so energiegeladenen wie möglich. Mitreißende Filme handeln von Menschen, die sich auf eine Entdeckungsreise begeben und leidenschaftlich kämpfen, gegen ihre Inneren Ängste und für einen Traum, ihren Lebenstraum.

Wodurch werden „Film-Menschen“ für Zuschauer interessant? Durch das, was sie tun, also ihr Handeln. Handeln ist zielgerichtetes agieren und wird bestimmt durch Entscheidungen. Zusätzlich werden Film-Menschen durch ihre Lebensgeschichte und ihre bisherigen Erlebnisse und Entscheidungen für die Zuschauer interessant. Ein dritter Aspekt, der das Interesse des Zuschauers anspricht, sind parallele Erfahrungen und Erlebnisse, die Zuschauer aus ihrem eigenen Leben mit „in den Film“ bringen und mit den Ereignissen auf der Leinwand vergleichen und sich fragen, wie sie in den Situationen reagieren würden.

Der Zuschauer hat nur etwa 2 Stunden Zeit, alle Informationen zu erfahren, die es ihm ermöglichen, den Entscheidungen und, vor allem anderen, den Emotionen des Films zu folgen und selbst in ein Wechselbad der Gefühle zu kommen. Erst, wenn der Zuschauer aufhört, interessiert den Film zu betrachten und beginnt, die Wünsche und Ängste der Hauptfiguren selbst zu spüren und zu seinen eigenen macht, wird ihn der Film mitreißen. 

Die Aufgabe des Drehbuchautors besteht darin, sich eine Abfolge von Sequenzen zu überlegen, in der die Informationen in einer spannenden und sich steigernden Intensität erzählt werden. Dadurch erst werden die reinen, unpoetischen Informationen zu dem, was wir alle von Filmen wollen: zu einer mitreißenden Geschichte. Würde man als Zuschauer in dem Film „Psycho“ von Beginn an die Information haben, daß die Mutter tot im Keller sitzt, würde der Film einen fast kalt lassen. Man würde lediglich einem geistesgestörten Mörder beim Verrichten seines Alltags – dem verrückten morden – zuschauen. Dadurch, daß man die erschreckende Wahrheit erst am Ende erfährt, wird der Film zu einer spannenden Auseinandersetzung = Konflikt = Kampf eines jungen Mannes mit seiner Mutter und seinem Inneren, seinen Ängsten, seiner Psyche.

Zuschauer lieben Geschichten über Menschen, die geheime Leidenschaften, sogar Obsessionen haben. Zuschauer sind neugierige Menschen und versuchen immer, das, was sie sehen, zu verstehen und einzuordnen, sich „einen Reim zu machen“. Wenn man die Neugier des Zuschauers anspricht und ihm etwas Ungewöhnliches bietet, aber eine Erklärung nur andeutet oder sogar verweigert, wird der Zuschauer automatisch gespannt sein, wie die Ereignisse sich entwickeln. Vor allem das Wort WIE ist entscheidend. Nicht so sehr das WAS. Das WAS ist der reine plot: in Liebesgeschichten sind das zwei oder drei Menschen, die sich treffen und am Ende kriegen oder nicht, in Krimis sind das zwei oder drei Menschen, die sich treffen und am Ende kriegen oder nicht. Entscheidend ist WIE das passiert und WARUM es passiert. Warum die Filmmenschen solch große Probleme haben, ihre Ziele zu erreichen. 

Der Grund hierfür liegt in der Psyche der Figuren, in ihrem Innern. Um das Innere sichtbar zu machen, das spezielle ungewöhnliche Verhalten, die geheime Leidenschaft, die ungewöhnliche Begeisterung oder die seltsame Phobie, läßt man die Hauptfigur und ihr Inneres auf „das natürliche Gegenteil“ prallen. Eine Musikliebhaberin trifft auf einen Taubstummen, der auch noch ihr eigener Vater ist, und schon hat man die Grundlage für eine starke Geschichte - und Charlotte Link hatte eine Oscar-Nominierung. 

Eine Filmgeschichte erzählt sich über gegensätzliche Haltungen, die untrennbar miteinander verbunden werden. Ein Rassist und ein Schwarzer werden aneinandergekettet. Ein Menschenhasser und eine fürsorgliche Mutter, die dazu Kellnerin ist, prallen aufeinander. (As good as it gets = Besser geht's nicht). Ein eiskalter Killer und ein kleines Mädchen. (Leon – Der Profi) Ein egoistischer, anarchischer Freiheitsfreak und ein Kontrollfreak, zusammen in der Psychiatrie, als Patient und Krankenschwester.

Was fesselt den Zuschauer an einer fürsorglichen Mutter, an einem Menschenhasser, was an einem Rassisten, an einem Killer? Wollen wir solchen Menschen zu unseren Freunden? Das, was Zuschauer interessiert und fesselt, ist die geheime Sehnsucht dieser Menschen, die sie während des Films mit uns zusammen entdecken, und, daß diese Menschen sich durch den inneren und äußeren Konflikt und das Erkennen ihrer Sehnsucht entwickeln und verändern.

Mitreißende Filme ermöglichen uns, ungewöhnliche Menschen kennenzulernen, an ihrem Leben teilzuhaben, sie zu begleiten und ihnen beim Überwinden der Gegner und im Kampf gegen ihre Ängste und für ihren Traum beizustehen.

(Dank an C. Rees für ihre Vorschläge)
 

Im zweiten Teil geht es über Filme, die auch mitreißend sind, und zwar durch ihre äußere Handlung. Durch den geschickt gebauten plot oder ganz einfach durch ihre Bildgewalt.