Aufbau
eines perfekten Filmes: Aliens - Die Rückkehr
Am Beispiel von ALIENS und mehreren anderen Filmen habe ich strukturelle Ähnlichkeiten herausgearbeitet. Dabei folge ich Anregungen aus Drehbuch-Seminaren, vor allem von Tom Schlesinger und Keith Cunningham, meinem Lieblingsbuch „Das Drehbuch“ von C.P. Hant, und der Idee einer „Zentralen Szene“ von Syd Field. In allen vorgestellten Filmen findet sich in der Mitte eine spezielle Szene, die Syd Field als „den zentralen Punkt“ kennzeichnet. Ich persönliche glaube auch an das Vorhandensein und die Funktion eines zentralen Wendepunktes in der Mitte eines Filmes. Am Anschaulichsten kann ich es so beschreiben: vor dem zentralen Punkt hat die Hauptfigur immer mehr Interesse daran, das Rätsel der Geschichte zu lösen, im zentralen Punkt wird das Rätsel/ die Aufgabe/ das Ziel mit dem persönlichen Schicksal der Hauptfigur verknüpft und nach dem zentralen Punkt muß die Hauptfigur das Ziel unbedingt erreichen. Ich
habe mir den Model-Aufbau selbst (nach vielen Büchern
und Seminaren und aufmerksamem Filme schauen) so beschrieben: zu Beginn
des Filmes geschieht etwas, was das Leben der Hauptfigur scheinbar nur
streift, nur ganz nebenbei berührt. Kurz darauf bemerkt die Hauptfigur
dieses Ereignis erst und entscheidet sich dann, etwas zu tun. Aktiv zu
werden.
Der Zuschauer und die Hauptfigur ahnen beide noch nicht, daß dieses erste Ereignis sich zu etwas entwickelt, was ganz genau auf das persönliche Problem der Hauptfigur zugeschnitten ist. (siehe: Trauma) Während
die Handlung fortschreitet, werden die Hauptfigur und der Zuschauer immer
mehr in die Geschichte gesogen und erkennen immer mehr, daß alles,
was passiert, sich zunehmend zu einer persönlichen Angelegenheit
der Hauptfigur entwickelt.
Das neue Ziel wird jetzt ein GROßES ZIEL. Es ist etwas, das die Hauptfigur sich ein Leben lang gewünscht oder gefürchtet hat. Das wird genau in der Mitte des Filmes -am zentralen Punkt- perfekt deutlich. Vorher hatte die Hauptfigur ein wachsendes persönliches Interesse an der Angelegenheit, nach dem Zentralen Punkt spürt die Hauptfigur regelrecht einen Zwang, die Angelegenheit, die sich zu der großen persönlichen Herausforderung entwickelt hat, unbedingt erfolgreich zu bewältigen. An dieser Stelle wird aus der Hauptfigur der HELD. Aber nicht nur der Protagonist ist gewachsen, auch die Gegenkraft wird immer stärker. Kurz vor dem zweiten Plotpoint scheint der Held einen Teilsieg erringen zu können: er kann das, was er zu Beginn des Filmes anstrebte, das kleine Ziel, plötzlich erreichen. Allerdings zu einem bitteren Preis: um das kleine Ziel zu erreichen, müßte er auf das große persönliche Ziel verzichten. Natürlich tut ein Held das nicht. Er geht das Wagnis ein und setzt alles auf eine Karte. Er nimmt sogar in Kauf, weder das große noch das kleine Ziel zu erreichen und entscheidet sich, das große persönliche Ziel entweder absolut zu erreichen - oder ganz unterzugehen. Im dritten Akt wird dann gekämpft. Um das große Ziel. Um das persönlichste Ziel, das denkbar ist. Darum, das persönliche Trauma zu besiegen. Oft wird ganz am Ende, wenn der Held siegt, gleichzeitig auch das kleinere Ausgangsziel erreicht. Sieg auf der ganzen Linie. Auffällig an diesem Aufbau ist, daß - in der Rückschau betrachtet - die gesamte Geschichte auf das ganz persönliche Hauptinteresse der Hauptfigur ausgerichtet ist. Das merkt der Zuschauer natürlich erst nach dem Film, aber die ganze Zeit der Filmerzählung finden sich ganz versteckt Anzeichen für dieses Hauptinteresse, das man auch Thema nennen kann. Noch etwas ergibt sich daraus: die eigentliche persönliche (Lebens-) Geschichte des Helden hat ja schon lange vor dem Einsetzen der Filmhandlung begonnen. In dem (fiktiven) Leben der Hauptfigur muß es Ereignisse und Wendungen gegeben haben, die exakt das im Film behandelte Hauptinteresse = Thema hervorgebracht haben. Sehr viele gute Filmgeschichten sind daher eigentlich sehr viel länger, als im Film dargestellt. Die Zeitspanne der tatsächlichen Geschichte für den Helden beträgt manchmal sein ganzes Leben, meistens aber 10, 20 oder 50 Jahre. Im Film werden davon nur die letzten paar Tage erzählt. Dadurch bekommen viele Filmgeschichten eine immens große Wucht. Aus Film-Büchern lernt man, eine Szene erst ganz knapp vor dem Höhepunkt der Szene zu beginnen. Genauso sehe ich es für die gesamte Filmgeschichte: nur ein paar Tage vor dem Schluß, vor der Entscheidung einer langen Geschichte, deren Ablauf im richtigen Leben Jahrzehnte dauern würde, setzt die Filmerzählung ein und schildert nicht weniger als den Höhepunkt des Ganzen. Im Folgenden habe ich diese Model auf den Film ALIENS - DIE RÜCKKEHR bezogen. ALIENS ist mein persönlicher BESTER FILM ALLER ZEITEN. Ich sage nicht, daß er die beste Geschichte aller Zeiten erzählt, aber ich bin überzeugt, daß er seine Geschichte auf die bestmögliche filmische Weise erzählt. Bestimmt ist "ALIEN - das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" die bessere Geschichte. Aber er hat auch den Vorteil der Überraschung mit dem unglaublich beeindruckenden Designkonzept von H.R. Giger. Ich halte trotzdem Aliens für den besseren Film. Okay, here we go: der ALIENS Aufbau. |