Beschreibung und Untersuchung von Lieblingsfilmen - die Idee des Projekts.

Die Idee des Projektes ist, sich den Aufbau von erfolgreichen Filmen genauer anzuschauen und zu verstehen, welche Art von Geschichten und Themen in diesen Filmen vorkommen und wie es gemacht wurde. Jeder Leser von plotpoints.de ist eingeladen, sich zu beteiligen.

Wenn SIE einen ihrer Lieblingsfilme hier vorstellen möchten, seien Sie unser Gast und schreiben Sie. Sie können entweder einen der Filme aus der Sammlung vorstellen und sozusagen sein Pate werden, oder einen neuen Film vorschlagen und für uns alle vorstellen. Jeder Film ist willkommen!

Um die verschiedenen Filme miteinander besser vergleichen zu können, sollen die hier vorgeschlagenen Fragen berücksichtigt werden. Da dieses Projekt gerade entsteht, sind die Fragen noch in der Roh-Fassung, falls Sie dazu Anmerkungen oder Ideen haben, zögern Sie bitte auch nicht, sich zu melden.

Die erste Idee zu einem Drehbuch mag sein: 3 Männer überfallen eine Bank. Oder: Androiden kommen auf die Erde und müssen gejagt werden. Oder: ein Junge aus einem Arbeiterviertel möchte zum Ballett. Wenn man später als Zuschauer die entsprechenden Filme sieht, erkennt man, daß diese erste kleine Ausgangsidee um den Faktor 1 Million gewachsen ist und ein vielschichtiges Gesamtwerk ergeben hat. Aus der Idee sind Handlung, Schicksal, Drama, lebendige Menschen, ehrliche Gefühle und Bedürfnisse, faszinierende Begegnungen geworden. Eine ganze neue Welt ist entstanden. Es gibt einen plot, eine Geschichte, eine Aussage, oft eine überraschende neue Erzählweise. 
Der Versuch, das in einem Satz auszudrücken, könnte so aussehen: Ein Film erzählt eine Geschichte aus einer bestimmten Welt auf eine bestimmte Weise vor dem Hintergrund einer bestimmten Handlung.

Um im Beispiel BLADE RUNNER zu bleiben: die Handlung ist, daß Rick Deckard, ein Spezial-Polizist, Typ einsamer Wolf, den Auftrag erhält, eine Gruppe von verbrecherischen Androiden zu jagen und zu töten. Während er seinen Job erledigt, erfährt er mehr über die Motive der Androiden. Er trifft auf Rachel, eine weitere Androidin, in die er sich verliebt, und gerät darüber in Konflikt mit seinem Gewissen, zweifelt an seinem Auftrag. Am Ende, nachdem der letzte Replikant ihm ironischerweise das Leben gerettet hat und kurz darauf stirbt, flieht Rick gemeinsam mit Rachel aus der Stadt.

Die Geschichte von BLADE RUNNER dreht sich um die Frage: sind Androiden lebendig? Oder: wo fängt das Leben an? Die Frage wird von vielen Seiten aus betrachtet. Es gibt ethisch-moralische Ansätze und zutiefst menschliche Bedürfnisse, sowohl bei den Androiden als auch bei den Menschen. Es gibt unmenschliches Verhalten, auf beiden Seiten, und sehr menschliches Verhalten wie Mitgefühl, Angst, Respekt, Bedürfnis nach Liebe und Zuneigung und den Drang, Wissen über die eigene Herkunft und Zukunft zu erlangen. Das vor allem auf Seiten der Replikanten.

Geschichten bestehen aus Begegnungen der Hauptfigur und ihrer Inneren Bewegung. Bei BLADE RUNNER kann man eindrucksvoll sehen, wie geschickt und vielschichtig ein ohne Frage nahezu perfekter Film und ein nahezu perfektes Drehbuch die Fragen der Geschichte in den Begegnungen sowohl im Jagd-plot als auch in der Liebesgeschichte umeinander webt. Auch in der Liebesgeschichte ist Rick auf der Jagd nach Rachel. Die Geschichte der Hauptfigur ist mit dem plot und der Aussage der Geschichte ganz eng verbunden, Rick Deckards Geschichte seiner persönlichen Erfahrung und Entwicklung ist ständig eng mit dem verknüpft, was der Zuschauer sieht und miterlebt.

Die Motive der Hauptfiguren sind alle sehr menschlich: Roy Batty will „mehr Leben“. Rick ist einsam in einer lebensfeindlichen Welt und will eine Frau, die ihn küßt und ihre Arme um ihn legt. Alle wollen wissen: wer bin ich? Wohin gehe ich? Wieviel Zeit bleibt mir?

Einsamkeit, Wunsch nach Liebe, Antworten auf „die drei großen Fragen“, sind Themen, die in BLADE RUNNER behandelt werden, vor dem Hintergrund einer High-Tech Science-Fiction-Welt und -Handlung. 

Die Kraft von BLADE RUNNER liegt meiner Meinung nach in der Konzentration auf diese wenigen, grundlegenden menschlichen Themen, die in jeder einzelnen Szene (genau, wie es in Drehbuchseminaren gelehrt wird) angesprochen werden, und natürlich in der einzigartigen Atmosphäre, die alles zusammenhält und trägt.

Mit der Untersuchung von Lieblingsfilmen möchte ich versuchen herauszufinden, ob auch andere Lieblingsfilme sich im Kern durch eine derartige Konzentration auf wenige grundlegende menschliche Themen auszeichnen. Ich glaube, daß man als Autor davon lernen muß. Ich glaube, daß in großartigen Filmen die eigentliche Geschichte der Vordergrund ist und die Handlung, der plot, im Hintergrund die Geschichte transportiert und dazu dient, die Hauptfiguren aufeinanderprallen zu lassen.

Es gibt eine Menge von Filmen, die nicht besonders berührend sind und ich glaube, das liegt daran, daß in diesen Filmen der Hintergrund zum Vordergrund geworden ist und die eigentliche Geschichte durch die vielen Kapriolen des plot verdeckt wird. Wenn sich durch die Betrachtung und Untersuchung von Lieblingsfilmen herausstellt, daß für die meisten Zuschauer die Inneren Geschichten wichtiger sind als äußere Handlungen, dann hilft das, bessere Filme zu schreiben.

Man mag sich die Frage stellen, warum man sich überhaupt alte Filme von anderen Autoren ansehen sollte, was hat das mit meiner eigenen Geschichte zu tun? Jede Geschichte ist schließlich einzigartig, und ich als Autor werde sowieso nie den Film eines Anderen einfach kopieren. Das stimmt natürlich. Aber die Filme von anderen bewußt zu betrachten und zu untersuchen, schärft die Sinne und erhöht das Verständnis für die Mechanik von Geschichten.